INSPIRATION
Ich habe hier eine kleine Auswahl von Texten zusammengestellt, die mich auf meinem Lebensweg und in meiner Arbeit begleiteten, die mich berührten und die ich gern in mein therapeutisches Wirken integriere.
Das menschliche Dasein ist ein Gasthaus
jeden Morgen Ein neuer Gast
Freude, Depression und Niedertracht
auch ein kurzer Moment von Achtsamkeit
kommt als unverhoffter Besucher
Begrüße und bewirte sie alle
selbst wenn es eine Schar von Sorgen ist,
die gewaltsam dein Haus
seiner Möbel entledigt
selbst dann behandle jeden Gast
vielleicht bereitet er dich vor
auf ganz neue Freuden
Dem dunklen Gedanken, der Scham, der Bosheit
begegne ihnen lachend an der Tür
und lade sie zu dir ein
Sei dankbar für jeden der kommt,
denn alle sind zu deiner Führung
geschickt worden aus einer anderen Welt.
Rumi
„Das Gasthaus“ war einer der ersten wichtigen Texte, die ich als junger Therapeut entdeckte. Er begleitet mich bis heute. Für mich war er damals so entscheidend, war er eine Abkehr davon, schmerzhafte Gefühle umgehen, sie überwinden zu wollen oder gegen sie anzukämpfen. Das Gedicht sagt, dass es darum geht, alle anzunehmen. Es sagt: alle Gefühle gehören zu dir, alle sind berechtigt, alle dienen dir. Sie leiten mich auf meinen Weg zu mir selbst, wenn ich sie annehme. Diese Haltung war und ist entscheidend auf meinem eigenen Lebensweg und richtet mich in meiner therapeutischen Haltung aus.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
konnte ich erkennen, dass emotionaler Schmerz und Leid
nur Warnungen für mich sind, gegen meine eigene Wahrheit zu leben.
Heute weiß ich: Das nennt man AUTHENTISCH SEIN.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
verstand ich, wie sehr es jemanden beeinträchtigen kann,
wenn ich versuche, diesem Menschen meine Wünsche aufzuzwingen,
auch wenn ich eigentlich weiß, dass der Zeitpunkt nicht stimmt
und dieser Mensch nicht dazu bereit ist – und das gilt auch,
wenn dieser Mensch ich selber bin.
Heute weiß ich: Das nennt man RESPEKT.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, mich nach einem anderen Leben zu sehnen
und konnte sehen, dass alles um mich herum
eine Aufforderung zum Wachsen war.
Heute weiß ich, das nennt man REIFE.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich verstanden, dass ich immer und bei jeder Gelegenheit,
zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin
und dass alles, was geschieht, richtig ist –
von da an konnte ich gelassen sein.
Heute weiß ich: Das nennt man SELBSTVERTRAUEN.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, mich meiner freien Zeit zu berauben,
und ich habe aufgehört, weiter grandiose Projekte für die Zukunft zu entwerfen.
Heute mache ich nur das, was mir Spaß und Freude macht,
was ich liebe und was mein Herz zum Lachen bringt,
auf meine eigene Art und Weise und in meinem Tempo.
Heute weiß ich, das nennt man EINFACHHEIT.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich mich von allem befreit, was nicht gesund für mich war,
von Speisen, Menschen, Dingen, Situationen
und von Allem, das mich immer wieder hinunterzog, weg von mir selbst.
Anfangs nannte ich das „Gesunden Egoismus“,
aber heute weiß ich, das ist Selbstliebe.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, immer recht haben zu wollen,
so habe ich mich weniger geirrt.
Heute habe ich erkannt: das nennt man BESCHEIDENHEIT.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich mich geweigert, weiter in der Vergangenheit zu leben
und mich um meine Zukunft zu sorgen.
Jetzt lebe ich nur noch in diesem Augenblick, wo ALLES stattfindet,
so lebe ich heute jeden Tag und nenne es ERFÜLLUNG.
Als ich mich zu lieben begann,
da erkannte ich, dass mich mein Denken
armselig und krank machen kann.
Doch als ich es mit meinem Herzen verbunden hatte,
wurde mein Verstand ein wertvoller Verbündeter.
Diese Verbindung nenne ich heute WEISHEIT DES HERZENS.
Wir brauchen uns nicht weiter vor Auseinandersetzungen,
Konflikten und Problemen mit uns selbst und anderen fürchten,
denn sogar Sterne knallen manchmal aufeinander
und es entstehen neue Welten.
Heute weiß ich: DAS IST DAS LEBEN !
Charlie Chaplin
Rede zu seinem 70. Geburtstag
Für mich ist der Text von Charlie eine Hommage an das Leben, die ich als aufrüttelnd und ermutigend empfinde. Er macht deutlich, dass die Selbstliebe der Schlüssel ist, den eigenen Lebensweg zu finden, Konzepte und Erwartungen zu überwinden, die vorgeben wollen, wie wir sein sollen. Der Text gibt so viele ermutigende Impulse, dem Herzen zu folgen.
Wie oft wirst du noch kämpfen
wie oft noch lamentieren
dich aufbauen, behaupten müssen
siegen und verlieren
wie oft Theater spielen
dabei keine Rolle scheun
um alles, alles auf der Welt
bloß nicht du selbst zu sein
Wie oft wirst du am nächsten Tag
nach einer kleinen Schlacht
den Legionär erblicken
der da aus dem Spiegel lacht
den Mann, den du am meisten fürchtest
den du verneinst
wie oft wirst du noch einsehn
der Spiegel ist dein Feind
um zu werden
um zu werden
um zu werden
was du bist
Wieviele Bücher mußt du lesen
wieviele Kirchen baun
wie oft noch Klugscheißen und Dieben
wie oft Lügnern traun
wievielen Fahnen folgen
irgendeiner starken Hand
wieviele Siege siegen
irgendeines Vaters Land
um plötzlich zu erwachen
zufällig und wie von selbst
aufgeschreckt von einer Stimme
in dir, die dir nicht gefällt
denn sie zeigt dir deine Grenze
vielleicht einen kleinen Traum
in dem kannst du lesen
du bist dir selber abgehaun
um zu werden
um zu werden
um zu werden
was du bist
Wieviele Kämpfe werden nötig sein mein Freund
wieviel Sand und Haß, läßt du dir in die Augen streun
wieviele Träume werden platzen
wieviele Freunde müssen gehn
wie oft wirst du noch Enttäuschungen
und Dunkelheit verstehn
um zu werden
was du bist
Wer lehrte dich zu schweigen
wo alles in dir schrie
wer kaute dir die Worte vor
wer setzte dir das Ziel
wer lehrte dich zu schlafen
obwohl du alles sahst
wer brachte dir bei, zu begaffen
zu lieben was du haßt
Wo ist das Kind geblieben,
das Kind mit seinem Traum
vom eignen unverwechselbaren
bunten Apfelbaum
das Kind, das unverdorben
und trotzig in dir schrie:
Entweder werde ich von selbst
oder ich werde nie
Entweder werd ich fallen
über Stock und Stein
doch lieber auf dem eignen Weg
als eine Zahl zu sein
eine Nummer, die man aufruft
eine Nummer, die man lenkt
nur Gott hat zu entscheiden
wer mir das Leben schenkt
um zu werden
um zu werden
um zu werden
was ich bin
was ich bin
um zu werden
Klaus Hoffmann
Das Lied von Klaus Hoffmann berührte mich schon, als ich es das erste Mal hörte und das tut es heute noch. Es zeigt, dass wir alle auf dem gleichen Weg sind, nämlich der zu werden, der wir sind auch wenn wir viele (vermeintlichen) Umwege gehen. So bewirkt es Solidarität und Verbundenheit mit den anderen und Verständnis für die eigenen Irrungen und Wirrungen auf diesem Weg. Er spricht vom „inneren Kind“, das uns zu uns selbst führt. Er macht deutlich, dass dieser Weg ein Weg der Befreiung von den Einflüssen ist, die uns zu etwas anderes machen wollen, zu einer „Nummer, die man aufruft“.
Für mich ist Therapie eine Unterstützung der Menschen, sich zu befreien, zu emanzipieren, um die zu werden, die sie wirklich sind.
Dann sagte ein Lehrer: Sprich uns vom Lehren.
Und er sagte:
Niemand kann euch etwas eröffnen, das nicht schon
im Dämmern eures Wissens schlummert.
Der Lehrer, der zwischen seinen Jüngern im Schatten
Des Tempels umhergeht, gibt nicht von seiner Weisheit,
sondern eher von seinem Glauben und seiner Liebe.
Wenn er wirklich weise ist, fordert er euch nicht auf,
ins Haus seiner Weisheit einzutreten, sondern führt
euch an die Schwelle eures eigenen Geistes.
Der Astronom kann euch von seinem Verständnis des
Weltraums reden, aber er kann euch nicht sein
Verständnis geben.
Der Musiker kann euch von Rhythmus singen, der im
Weltraum ist, aber er kann euch weder das Ohr geben,
das den Rhythmus festhält, noch die Stimme,
die ihn wiedergibt.
Und wer der Wissenschaft der Zahlen kundig ist,
kann vom Reich der Gewichte und Maße berichten,
aber er kann euch nicht dorthin führen.
Denn die Einsicht eines Menschen verleiht ihre Flügel
keinem anderen.
Und wie jeder von euch allein in Gottes Wissen
steht, so muss jeder von euch allein in seinem Wissen
von Gott und seinem Verständnis der Erde sein.
Khalil Gibran
aus: Der Prophet
Dieser Text hat mir eine Gefahr, der man auf dem spirituellen Weg begegnen kann, nah gebracht, nämlich anderen vorgeben zu wollen, wohin der Weg für sie führt. Als Therapeut gebe nicht ich den Weg vor. Meine Aufgabe ist es die KlientInnen so zu begleiten, dass sie befähigt sind, ihren eigenen Weg kennen zu lernen und ihn zu gehen. Wie auch ich Begleiter brauchte, meinen Weg zu finden.
Jeder Mensch ist dazu bestimmt zu leuchten!
Unsere tiefgreifendste Angst ist nicht, dass wir ungenügend sind,
unsere tiefgreifendste Angst ist, über das Messbare hinaus
kraftvoll zu sein.
Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit,
die uns am meisten Angst macht.
Wir fragen uns, wer bin ich, mich brillant, großartig, talentiert und phantastisch zu nennen?
Aber wer bist du, dich nicht so zu nennen?
Du bist ein Kind Gottes.
Dich selbst klein zu halten, dient nicht der Welt.
Es ist nichts Erleuchtetes daran, sich so klein zu machen,
dass andere um mich sich nicht unsicher fühlen.
Wir sind alle bestimmt, zu leuchten,
wie es die Kinder tun.
Wir sind geboren worden, um den Glanz Gottes,
der in uns ist, zu manifestieren.
Es ist nicht nur in einigen von uns, es ist in jedem einzelnen.
Und wenn wir unser Licht erscheinen lassen,
geben wir anderen Menschen die Erlaubnis,
dasselbe zu tun.
Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind,
befreit unsere Gegenwart automatisch andere.
Nelson Mandela
Auszug aus seiner Antrittsrede als Staatspräsident von Südafrika 1994
Die Antrittsrede von Nelson Mandela zeugt für mich von großer Menschlichkeit und Kraft der Vergebung, hielt es sie doch nach jahrzehnterlanger Haft. Er spricht vom „Glanz Gottes“, der in jedem von uns ist und dass jeder „ein Kind Gottes“ ist. Immer wieder konnte ich in den Begegnungen mit meinen KlientInnen diesen Glanz in ihnen sehen und erlebte dies als ein großes Geschenk für mich. Hier fand ich Erfüllung und Glück für mich selbst. Das innere Leuchten der Menschen zu sehen, die ich begleiten durfte war immer wieder auch Belohnung für meine Arbeit.
Was es ist
Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Erich Fried
In so einfacher Art und Weise macht das Gedicht deutlich, was Liebe ist. In ihr sehe ich letztlich die heilende Kraft. Liebe bedeutet Annahme dessen was ist, dessen was uns ausmacht. Die Annahme dessen, was in mir aufsteigt und was zu mir gehört entfaltet einen kreativen Impuls, durch den Veränderung beginnt. Annahme bedeutet zugleich Wandlung, so hat es mich meine Arbeit gelehrt.
Anstatt Schmerz, Trauer, Angst zu bekämpfen, um diese Gefühle loszuwerden, nehme ich sie in mein Herz. Kämpfe so nicht länger gegen mich selbst, sondern versöhne mich mit mir. Ich habe selbst viele Erfahrungen gebraucht, um dies mir zu eigen machen zu können. Dann begann für mich und meine Arbeit eine neue Ausrichtung.
Das Scheitern lehrt uns, dass der Weg auf dem wir momentan unterwegs sind, nicht mehr der richtige für uns ist. Wir möchten im Leben alles Schmerzhafte umgehen, dabei ist es oft das Schmerzhafte, das Scheitern, das uns das Neue bringt. Im Leid, das wir umgehen möchten, die heilende Kraft zu erkennen, ist nicht leicht. Dass uns ein Schicksalsschlag weiterbringen kann, ist schwer zu akzeptieren. Sei es eine tiefe Kränkung, sei es das Zerbrechen einer Ehe, sei es der Tod eines lieben Menschen, sei es, dass unser Lebensentwurf zusammenbricht; darin ein Wachsen und Reifen zu erkennen, fällt uns schwer. Genau darum geht es jedoch: Das Scheitern nicht als Ende zu erfahren, sondern als Auferstehung zu einer neuen Lebensphase. Leid und Scheitern gehören zum Menschwerdungsprozess. (…) Leid bringt (…) eine Offenheit für den nächsten Schritt im Leben. Es zeigt uns, wo unser Lebensweg weitergeht. Immer ist das Leid der Zeitpunkt für eine fundamentale Neuorientierung und Veränderung des Lebens. (…) Niemand liebt das Scheitern. Aber es ist der Hinweis, dass unser Leben anders weitergehen soll.
Willigis Jäger
(aus „Ewige Weisheit“)
Dieser Text bedeutet für mich Ermutigung in Krisenzeiten. Er zeigt uns, wie wir einen neuen Blick auf uns und unsere Krise werfen können. Sie nicht als Makel, als unser Defizit zu sehen, sondern als Teil des Lebens- und Heilungsweges. Die Krise als Chance zu sehen, fällt naturgemäß jedem erst einmal schwer. Manchmal brauchen wir Unterstützung durch Wegbegleiter, die uns dieses Wissen näher bringen, denn in der Krise sind wir oft erst einmal blind für diesen ersten Schritt, der uns aus der Krise führt.
Gehe ruhig und gelassen durch Lärm und Hast und sei des Friedens eingedenk, den die Stille bergen kann. Stehe, soweit ohne Selbstaufgabe möglich, in freundlicher Beziehung zu allen Menschen. Äußere deine Wahrheit ruhig und klar und höre anderen zu, auch den Geistlosen und Unwissenden; auch sie haben ihre Geschichte. Meide laute und aggressive Menschen, sie sind eine Qual für den Geist. Wenn du dich mit anderen vergleichst, könntest du bitter werden und dir nichtig vorkommen, denn immer wird es jemanden geben, größer oder geringer als du. Freue dich deiner eigenen Leistungen wie auch deiner Pläne. Bleibe weiter an deiner Laufbahn interessiert, wie bescheiden auch immer. Sie ist ein echter Besitz im wechselnden Glück der Zeiten. In deinen geschäftlichen Angelegenheiten lass Vorsicht walten, denn die Welt ist voller Betrug. Aber dies soll dich nicht blind machen gegen gleichermaßen vorhandene Rechtschaffenheit. Viele Menschen ringen um hohe Ideale und überall ist das Leben voller Heldentum. Sei du selbst, vor allen Dingen heuchle keine Zuneigung. Noch sei zynisch was die Liebe betrifft, denn auch in Angesicht alles Dürre und Enttäuschung ist die doch immerwährend wie das Gras. Ertrage freundlich-gelassen den Ratschluss der Jahre, gib die Dinge der Jugend mit Grazie auf. Stärke die Kraft deines Geistes, damit sie dich in plötzlich hereinbrechendem Unglück schütze. Aber beunruhige dich nicht mit Einbildungen. Viele Befürchtungen sind Folge von Erschöpfung und Einsamkeit. Bei einem heilsamen Maß an Selbstdisziplin sei gut zu dir selbst. Du bist ein Kind des Universums, nicht weniger als die Bäume und die Sterne; du hast ein recht hier zu sein. Und ob es dir nun bewusst ist oder nicht: zweifellos entfaltet sich das Universum wie vorgesehen. Darum lebe in Frieden mit Gott, was für eine Vorstellung du auch von ihm hast und was immer dein Mühen und Sehnen ist. In der lärmenden Wirrnis des Lebens erhalte dir deinen Frieden mit deiner Seele. Trotz all ihrem Schein, der Plackerei und den zerbrochenen Träumen ist diese Welt doch wunderschön. Sei vorsichtig, strebe danach glücklich zu sein.
Max Ehrmann
Diesen Text lernte ich vor über 30 Jahren kennen. Doch erst viel später wurde er mir eine wichtige Inspiration. Besonders berührte mich die Aussage über die Liebe: „…denn auch in Angesicht aller Dürre und Enttäuschung ist sie doch immerwährend wie das Gras.“ Wir Menschen sind auf der Suche nach der Liebe, denn die Liebe ist das was uns heilt. Wir finden sie in unserer Liebe zu uns selbst.
Weiter heißt es: „Du bist ein Kind des Universums, nicht weniger als die Bäume und die Sterne; du hast ein Recht hier zu sein.“ Darin erkenne ich die uneingeschränkte Annahme eines jeden von uns, die sich allein daraus ergibt, dass wir sind.
Bitte, nenne mich bei meinen wahren Namen!
Betrachte es ganz tief:
Jede Sekunde komme ich an,
sei es als Knospe in einem Frühlingszweig
oder als winziger Vogel mit noch zarten Flügeln,
der im neuen Nest erst singen lernt.
Ich komme an als Raupe im Herzen der Blume
oder als Juwel, verborgen im Stein.
Ich komme stets gerade erst an,
um zu lachen und zu weinen,
mich zu fürchten und zu hoffen.
Der Schlag meines Herzens ist Geburt und Tod
von allem, was lebt.
Ich bin die Eintagsfliege,
die an der Wasseroberfläche des Flusses schlüpft.
Und ich bin auch der Vogel, der herabstürzt, um sie zu schnappen.
Ich bin der Frosch, der vergnüglich im klaren Wasser eines Teiches schwimmt.
Und ich bin die Ringelnatter,
die in der Stille den Frosch verspeist.
Ich bin das Kind aus Uganda, nur Haut und Knochen,
mit Beinchen so dünn wie Bambusstöcke.
Und ich bin der Waffenhändler,
der todbringende Waffen nach Uganda verkauft.
Ich bin das zwölfjährige Mädchen, Flüchtling in einem kleinen Boot,
das von Piraten vergewaltigt wurde
und nur noch den Tod im Ozean sucht.
Und ich bin auch der Pirat,
mein Herz ist noch nicht fähig, zu erkennen und zu lieben.
Ich bin ein Mitglied des Politbüros
mit reichlich Macht in meinen Händen.
Und ich bin der Mann, der seine Blutschuld an sein Volk zu zahlen hat
und langsam in einem Arbeitslager stirbt.
Meine Freude ist wie der Frühling.
So warm, daß sie die Blumen auf der ganzen Erde erblühen läßt.
Mein Schmerz ist wie ein Tränenstrom.
So mächtig, daß er alle vier Meere ausfüllt.
Bitte, nenne mich bei meinem wahren Namen!
Damit ich all mein Weinen und Lachen zugleich hören kann.
Damit ich sehe, daß meine Freude und mein Schmerz eins sind.
Bitte, nenne mich bei meinem wahren Namen!
Damit ich erwache!
Damit das Tor meines Herzens von nun an offen steht,
das Tor des Mitgefühls.“
Thich Nhat Hanh
„Gott ist mit uns allen, in jedem Augenblick“, dieser Satz hat mich sehr bewegt, mir Trost gegeben. Ich habe sofort wahrnehmen können: Ja, das ist wahr.
Manche Menschen fühlen sich von Gott verlassen oder gar verraten, weil ihnen Schreckliches geschehen ist oder weil sie meinen, nicht wieder aus ihrem Leid heraus zu finden. Das ist sehr verständlich. Das Gedicht fordert uns auf, Gott wieder zu finden, um uns selbst wieder zu finden. Es erinnert uns, dass wir alle miteinander verbunden sind und dass wir aus dem Kreis von Gewalt, Schuld, Vergeltung Auswege finden müssen, damit wir nicht darin gefangen bleiben. Das Gedicht erinnert mich, dass Freude genauso wie Schmerz zu mir gehören. Es gilt beides zuzulassen, sich nicht dafür zu beurteilen oder zu schämen. Und es verweist darauf, dass unser Mitgefühl uns zu Menschen macht und unsere verbindende und heilende Kraft darstellt.
Ich habe hier eine kleine Auswahl von texten zusammengestellt, die mich auf meinem Lebensweg und in meiner Arbeit begleiteten, die mich berührten und die ich gern in mein therapeutisches Wirken integriere.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
konnte ich erkennen, dass emotionaler Schmerz und Leid
nur Warnungen für mich sind, gegen meine eigene Wahrheit zu leben.
Heute weiß ich: Das nennt man AUTHENTISCH SEIN.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
verstand ich, wie sehr es jemanden beeinträchtigen kann,
wenn ich versuche, diesem Menschen meine Wünsche aufzuzwingen,
auch wenn ich eigentlich weiß, dass der Zeitpunkt nicht stimmt
und dieser Mensch nicht dazu bereit ist – und das gilt auch,
wenn dieser Mensch ich selber bin.
Heute weiß ich: Das nennt man RESPEKT.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, mich nach einem anderen Leben zu sehnen
und konnte sehen, dass alles um mich herum
eine Aufforderung zum Wachsen war.
Heute weiß ich, das nennt man REIFE.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich verstanden, dass ich immer und bei jeder Gelegenheit,
zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin
und dass alles, was geschieht, richtig ist –
von da an konnte ich gelassen sein.
Heute weiß ich: Das nennt man SELBSTVERTRAUEN.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, mich meiner freien Zeit zu berauben,
und ich habe aufgehört, weiter grandiose Projekte für die Zukunft zu entwerfen.
Heute mache ich nur das, was mir Spaß und Freude macht,
was ich liebe und was mein Herz zum Lachen bringt,
auf meine eigene Art und Weise und in meinem Tempo.
Heute weiß ich, das nennt man EINFACHHEIT.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich mich von allem befreit, was nicht gesund für mich war,
von Speisen, Menschen, Dingen, Situationen
und von Allem, das mich immer wieder hinunterzog, weg von mir selbst.
Anfangs nannte ich das „Gesunden Egoismus“,
aber heute weiß ich, das ist Selbstliebe.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, immer recht haben zu wollen,
so habe ich mich weniger geirrt.
Heute habe ich erkannt: das nennt man BESCHEIDENHEIT.
Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich mich geweigert, weiter in der Vergangenheit zu leben
und mich um meine Zukunft zu sorgen.
Jetzt lebe ich nur noch in diesem Augenblick, wo ALLES stattfindet,
so lebe ich heute jeden Tag und nenne es ERFÜLLUNG.
Als ich mich zu lieben begann,
da erkannte ich, dass mich mein Denken
armselig und krank machen kann.
Doch als ich es mit meinem Herzen verbunden hatte,
wurde mein Verstand ein wertvoller Verbündeter.
Diese Verbindung nenne ich heute WEISHEIT DES HERZENS.
Wir brauchen uns nicht weiter vor Auseinandersetzungen,
Konflikten und Problemen mit uns selbst und anderen fürchten,
denn sogar Sterne knallen manchmal aufeinander
und es entstehen neue Welten.
Heute weiß ich: DAS IST DAS LEBEN !
Charlie Chaplin
Rede zu seinem 70. Geburtstag
Für mich ist der Text von Charlie eine Hommage an das Leben, die ich als aufrüttelnd und ermutigend empfinde. Er macht deutlich, dass die Selbstliebe der Schlüssel ist, den eigenen Lebensweg zu finden, Konzepte und Erwartungen zu überwinden, die vorgeben wollen, wie wir sein sollen. Der Text gibt so viele ermutigende Impulse, dem Herzen zu folgen.
Wie oft wirst du noch kämpfen
wie oft noch lamentieren
dich aufbauen, behaupten müssen
siegen und verlieren
wie oft Theater spielen
dabei keine Rolle scheun
um alles, alles auf der Welt
bloß nicht du selbst zu sein
Wie oft wirst du am nächsten Tag
nach einer kleinen Schlacht
den Legionär erblicken
der da aus dem Spiegel lacht
den Mann, den du am meisten fürchtest
den du verneinst
wie oft wirst du noch einsehn
der Spiegel ist dein Feind
um zu werden
um zu werden
um zu werden
was du bist
Wieviele Bücher mußt du lesen
wieviele Kirchen baun
wie oft noch Klugscheißen und Dieben
wie oft Lügnern traun
wievielen Fahnen folgen
irgendeiner starken Hand
wieviele Siege siegen
irgendeines Vaters Land
um plötzlich zu erwachen
zufällig und wie von selbst
aufgeschreckt von einer Stimme
in dir, die dir nicht gefällt
denn sie zeigt dir deine Grenze
vielleicht einen kleinen Traum
in dem kannst du lesen
du bist dir selber abgehaun
um zu werden
um zu werden
um zu werden
was du bist
Wieviele Kämpfe werden nötig sein mein Freund
wieviel Sand und Haß, läßt du dir in die Augen streun
wieviele Träume werden platzen
wieviele Freunde müssen gehn
wie oft wirst du noch Enttäuschungen
und Dunkelheit verstehn
um zu werden
was du bist
Wer lehrte dich zu schweigen
wo alles in dir schrie
wer kaute dir die Worte vor
wer setzte dir das Ziel
wer lehrte dich zu schlafen
obwohl du alles sahst
wer brachte dir bei, zu begaffen
zu lieben was du haßt
Wo ist das Kind geblieben,
das Kind mit seinem Traum
vom eignen unverwechselbaren
bunten Apfelbaum
das Kind, das unverdorben
und trotzig in dir schrie:
ENTWEDER WERDE ICH VON SELBST
ODER ICH WERDE NIE
Entweder werd ich fallen
über Stock und Stein
doch lieber auf dem eignen Weg
als eine Zahl zu sein
eine Nummer, die man aufruft
eine Nummer, die man lenkt
nur Gott hat zu entscheiden
wer mir das Leben schenkt
um zu werden
um zu werden
um zu werden
was ich bin
was ich bin
um zu werden
Klaus Hoffmann
Das Lied von Klaus Hoffmann berührte mich schon, als ich es das erste Mal hörte und das tut es heute noch. Es zeigt, dass wir alle auf dem gleichen Weg sind, nämlich der zu werden, der wir sind auch wenn wir viele (vermeintlichen) Umwege gehen. So bewirkt es Solidarität und Verbundenheit mit den anderen und Verständnis für die eigenen Irrungen und Wirrungen auf diesem Weg. Er spricht vom „inneren Kind“, das uns zu uns selbst führt. Er macht deutlich, dass dieser Weg ein Weg der Befreiung von den Einflüssen ist, die uns zu etwas anderes machen wollen, zu einer „Nummer, die man aufruft“.
Für mich ist Therapie eine Unterstützung der Menschen, sich zu befreien, zu emanzipieren, um die zu werden, die sie wirklich sind.
Das menschliche Dasein ist ein Gasthaus
jeden Morgen Ein neuer Gast
Freude, Depression und Niedertracht
auch ein kurzer Moment von Achtsamkeit
kommt als unverhoffter Besucher
Begrüße und bewirte sie alle
selbst wenn es eine Schar von Sorgen ist,
die gewaltsam dein Haus
seiner Möbel entledigt
selbst dann behandle jeden Gast
vielleicht bereitet er dich vor
auf ganz neue Freuden
Dem dunklen Gedanken, der Scham, der Bosheit
begegne ihnen lachend an der Tür
und lade sie zu dir ein
Sei dankbar für jeden der kommt,
denn alle sind zu deiner Führung
geschickt worden aus einer anderen Welt.
Rumi
„Das Gasthaus“ war einer der ersten wichtigen Texte, die ich als junger Therapeut entdeckte. Er begleitet mich bis heute. Für mich war er damals so entscheidend, war er eine Abkehr davon, schmerzhafte Gefühle umgehen, sie überwinden zu wollen oder gegen sie anzukämpfen. Das Gedicht sagt, dass es darum geht, alle anzunehmen. Es sagt: alle Gefühle gehören zu dir, alle sind berechtigt, alle dienen dir. Sie leiten mich auf meinen Weg zu mir selbst, wenn ich sie annehme. Diese Haltung war und ist entscheidend auf meinem eigenen Lebensweg und richtet mich in meiner therapeutischen Haltung aus.
Dann sagte ein Lehrer: Sprich uns vom Lehren.
Und er sagte:
Niemand kann euch etwas eröffnen, das nicht schon
im Dämmern eures Wissens schlummert.
Der Lehrer, der zwischen seinen Jüngern im Schatten
Des Tempels umhergeht, gibt nicht von seiner Weisheit,
sondern eher von seinem Glauben und seiner Liebe.
Wenn er wirklich weise ist, fordert er euch nicht auf,
ins Haus seiner Weisheit einzutreten, sondern führt
euch an die Schwelle eures eigenen Geistes.
Der Astronom kann euch von seinem Verständnis des
Weltraums reden, aber er kann euch nicht sein
Verständnis geben.
Der Musiker kann euch von Rhythmus singen, der im
Weltraum ist, aber er kann euch weder das Ohr geben,
das den Rhythmus festhält, noch die Stimme,
die ihn wiedergibt.
Und wer der Wissenschaft der Zahlen kundig ist,
kann vom Reich der Gewichte und Maße berichten,
aber er kann euch nicht dorthin führen.
Denn die Einsicht eines Menschen verleiht ihre Flügel
keinem anderen.
Und wie jeder von euch allein in Gottes Wissen
steht, so muss jeder von euch allein in seinem Wissen
von Gott und seinem Verständnis der Erde sein.
Khalil Gibran
aus: Der Prophet
Dieser Text hat mir eine Gefahr, der man auf dem spirituellen Weg begegnen kann, nah gebracht, nämlich anderen vorgeben zu wollen, wohin der Weg für sie führt. Als Therapeut gebe nicht ich den Weg vor. Meine Aufgabe ist es die KlientInnen so zu begleiten, dass sie befähigt sind, ihren eigenen Weg kennen zu lernen und ihn zu gehen. Wie auch ich Begleiter brauchte, meinen Weg zu finden.
Jeder Mensch ist dazu bestimmt zu leuchten!
Unsere tiefgreifendste Angst ist nicht, dass wir ungenügend sind,
unsere tiefgreifendste Angst ist, über das Messbare hinaus
kraftvoll zu sein.
Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit,
die uns am meisten Angst macht.
Wir fragen uns, wer bin ich, mich brillant, großartig, talentiert und phantastisch zu nennen?
Aber wer bist du, dich nicht so zu nennen?
Du bist ein Kind Gottes.
Dich selbst klein zu halten, dient nicht der Welt.
Es ist nichts Erleuchtetes daran, sich so klein zu machen,
dass andere um mich sich nicht unsicher fühlen.
Wir sind alle bestimmt, zu leuchten,
wie es die Kinder tun.
Wir sind geboren worden, um den Glanz Gottes,
der in uns ist, zu manifestieren.
Es ist nicht nur in einigen von uns, es ist in jedem einzelnen.
Und wenn wir unser Licht erscheinen lassen,
geben wir anderen Menschen die Erlaubnis,
dasselbe zu tun.
Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind,
befreit unsere Gegenwart automatisch andere.
Nelson Mandela
Auszug aus seiner Antrittsrede als Staatspräsident von Südafrika 1994
Die Antrittsrede von Nelson Mandela zeugt für mich von großer Menschlichkeit und Kraft der Vergebung, hielt es sie doch nach jahrzehnterlanger Haft. Er spricht vom „Glanz Gottes“, der in jedem von uns ist und dass jeder „ein Kind Gottes“ ist. Immer wieder konnte ich in den Begegnungen mit meinen KlientInnen diesen Glanz in ihnen sehen und erlebte dies als ein großes Geschenk für mich. Hier fand ich Erfüllung und Glück für mich selbst. Das innere Leuchten der Menschen zu sehen, die ich begleiten durfte war immer wieder auch Belohnung für meine Arbeit.
Was es ist
Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Erich Fried
In so einfacher Art und Weise macht das Gedicht deutlich, was Liebe ist. In ihr sehe ich letztlich die heilende Kraft. Liebe bedeutet Annahme dessen was ist, dessen was uns ausmacht. Die Annahme dessen, was in mir aufsteigt und was zu mir gehört entfaltet einen kreativen Impuls, durch den Veränderung beginnt. Annahme bedeutet zugleich Wandlung, so hat es mich meine Arbeit gelehrt.
Anstatt Schmerz, Trauer, Angst zu bekämpfen, um diese Gefühle loszuwerden, nehme ich sie in mein Herz. Kämpfe so nicht länger gegen mich selbst, sondern versöhne mich mit mir. Ich habe selbst viele Erfahrungen gebraucht, um dies mir zu eigen machen zu können. Dann begann für mich und meine Arbeit eine neue Ausrichtung.
Das Scheitern lehrt uns, dass der Weg auf dem wir momentan unterwegs sind, nicht mehr der richtige für uns ist. Wir möchten im Leben alles Schmerzhafte umgehen, dabei ist es oft das Schmerzhafte, das Scheitern, das uns das Neue bringt. Im Leid, das wir umgehen möchten, die heilende Kraft zu erkennen, ist nicht leicht. Dass uns ein Schicksalsschlag weiterbringen kann, ist schwer zu akzeptieren. Sei es eine tiefe Kränkung, sei es das Zerbrechen einer Ehe, sei es der Tod eines lieben Menschen, sei es, dass unser Lebensentwurf zusammenbricht; darin ein Wachsen und Reifen zu erkennen, fällt uns schwer. Genau darum geht es jedoch: Das Scheitern nicht als Ende zu erfahren, sondern als Auferstehung zu einer neuen Lebensphase. Leid und Scheitern gehören zum Menschwerdungsprozess. (…) Leid bringt (…) eine Offenheit für den nächsten Schritt im Leben. Es zeigt uns, wo unser Lebensweg weitergeht. Immer ist das Leid der Zeitpunkt für eine fundamentale Neuorientierung und Veränderung des Lebens. (…) Niemand liebt das Scheitern. Aber es ist der Hinweis, dass unser Leben anders weitergehen soll.
Willigis Jäger
(aus „Ewige Weisheit“)
Dieser Text bedeutet für mich Ermutigung in Krisenzeiten. Er zeigt uns, wie wir einen neuen Blick auf uns und unsere Krise werfen können. Sie nicht als Makel, als unser Defizit zu sehen, sondern als Teil des Lebens- und Heilungsweges. Die Krise als Chance zu sehen, fällt naturgemäß jedem erst einmal schwer. Manchmal brauchen wir Unterstützung durch Wegbegleiter, die uns dieses Wissen näher bringen, denn in der Krise sind wir oft erst einmal blind für diesen ersten Schritt, der uns aus der Krise führt.
Gehe ruhig und gelassen durch Lärm und Hast und sei des Friedens eingedenk, den die Stille bergen kann. Stehe, soweit ohne Selbstaufgabe möglich, in freundlicher Beziehung zu allen Menschen. Äußere deine Wahrheit ruhig und klar und höre anderen zu, auch den Geistlosen und Unwissenden; auch sie haben ihre Geschichte. Meide laute und aggressive Menschen, sie sind eine Qual für den Geist. Wenn du dich mit anderen vergleichst, könntest du bitter werden und dir nichtig vorkommen, denn immer wird es jemanden geben, größer oder geringer als du. Freue dich deiner eigenen Leistungen wie auch deiner Pläne. Bleibe weiter an deiner Laufbahn interessiert, wie bescheiden auch immer. Sie ist ein echter Besitz im wechselnden Glück der Zeiten. In deinen geschäftlichen Angelegenheiten lass Vorsicht walten, denn die Welt ist voller Betrug. Aber dies soll dich nicht blind machen gegen gleichermaßen vorhandene Rechtschaffenheit. Viele Menschen ringen um hohe Ideale und überall ist das Leben voller Heldentum. Sei du selbst, vor allen Dingen heuchle keine Zuneigung. Noch sei zynisch was die Liebe betrifft, denn auch in Angesicht alles Dürre und Enttäuschung ist die doch immerwährend wie das Gras. Ertrage freundlich-gelassen den Ratschluss der Jahre, gib die Dinge der Jugend mit Grazie auf. Stärke die Kraft deines Geistes, damit sie dich in plötzlich hereinbrechendem Unglück schütze. Aber beunruhige dich nicht mit Einbildungen. Viele Befürchtungen sind Folge von Erschöpfung und Einsamkeit. Bei einem heilsamen Maß an Selbstdisziplin sei gut zu dir selbst. Du bist ein Kind des Universums, nicht weniger als die Bäume und die Sterne; du hast ein recht hier zu sein. Und ob es dir nun bewusst ist oder nicht: zweifellos entfaltet sich das Universum wie vorgesehen. Darum lebe in Frieden mit Gott, was für eine Vorstellung du auch von ihm hast und was immer dein Mühen und Sehnen ist. In der lärmenden Wirrnis des Lebens erhalte dir deinen Frieden mit deiner Seele. Trotz all ihrem Schein, der Plackerei und den zerbrochenen Träumen ist diese Welt doch wunderschön. Sei vorsichtig, strebe danach glücklich zu sein.
Max Ehrmann
Diesen Text lernte ich vor über 30 Jahren kennen. Doch erst viel später wurde er mir eine wichtige Inspiration. Besonders berührte mich die Aussage über die Liebe: „…denn auch in Angesicht aller Dürre und Enttäuschung ist sie doch immerwährend wie das Gras.“ Wir Menschen sind auf der Suche nach der Liebe, denn die Liebe ist das was uns heilt. Wir finden sie in unserer Liebe zu uns selbst.
Weiter heißt es: „Du bist ein Kind des Universums, nicht weniger als die Bäume und die Sterne; du hast ein Recht hier zu sein.“ Darin erkenne ich die uneingeschränkte Annahme eines jeden von uns, die sich allein daraus ergibt, dass wir sind.
Bitte, nenne mich bei meinen wahren Namen!
Betrachte es ganz tief:
Jede Sekunde komme ich an,
sei es als Knospe in einem Frühlingszweig
oder als winziger Vogel mit noch zarten Flügeln,
der im neuen Nest erst singen lernt.
Ich komme an als Raupe im Herzen der Blume
oder als Juwel, verborgen im Stein.
Ich komme stets gerade erst an,
um zu lachen und zu weinen,
mich zu fürchten und zu hoffen.
Der Schlag meines Herzens ist Geburt und Tod
von allem, was lebt.
Ich bin die Eintagsfliege,
die an der Wasseroberfläche des Flusses schlüpft.
Und ich bin auch der Vogel, der herabstürzt, um sie zu schnappen.
Ich bin der Frosch, der vergnüglich im klaren Wasser eines Teiches schwimmt.
Und ich bin die Ringelnatter,
die in der Stille den Frosch verspeist.
Ich bin das Kind aus Uganda, nur Haut und Knochen,
mit Beinchen so dünn wie Bambusstöcke.
Und ich bin der Waffenhändler,
der todbringende Waffen nach Uganda verkauft.
Ich bin das zwölfjährige Mädchen, Flüchtling in einem kleinen Boot,
das von Piraten vergewaltigt wurde
und nur noch den Tod im Ozean sucht.
Und ich bin auch der Pirat,
mein Herz ist noch nicht fähig, zu erkennen und zu lieben.
Ich bin ein Mitglied des Politbüros
mit reichlich Macht in meinen Händen.
Und ich bin der Mann, der seine Blutschuld an sein Volk zu zahlen hat
und langsam in einem Arbeitslager stirbt.
Meine Freude ist wie der Frühling.
So warm, daß sie die Blumen auf der ganzen Erde erblühen läßt.
Mein Schmerz ist wie ein Tränenstrom.
So mächtig, daß er alle vier Meere ausfüllt.
Bitte, nenne mich bei meinem wahren Namen!
Damit ich all mein Weinen und Lachen zugleich hören kann.
Damit ich sehe, daß meine Freude und mein Schmerz eins sind.
Bitte, nenne mich bei meinem wahren Namen!
Damit ich erwache!
Damit das Tor meines Herzens von nun an offen steht,
das Tor des Mitgefühls.“
Thich Nhat Hanh
„Gott ist mit uns allen, in jedem Augenblick“, dieser Satz hat mich sehr bewegt, mir Trost gegeben. Ich habe sofort wahrnehmen können: Ja, das ist wahr.
Manche Menschen fühlen sich von Gott verlassen oder gar verraten, weil ihnen Schreckliches geschehen ist oder weil sie meinen, nicht wieder aus ihrem Leid heraus zu finden. Das ist sehr verständlich. Das Gedicht fordert uns auf, Gott wieder zu finden, um uns selbst wieder zu finden. Es erinnert uns, dass wir alle miteinander verbunden sind und dass wir aus dem Kreis von Gewalt, Schuld, Vergeltung Auswege finden müssen, damit wir nicht darin gefangen bleiben. Das Gedicht erinnert mich, dass Freude genauso wie Schmerz zu mir gehören. Es gilt beides zuzulassen, sich nicht dafür zu beurteilen oder zu schämen. Und es verweist darauf, dass unser Mitgefühl uns zu Menschen macht und unsere verbindende und heilende Kraft darstellt.